Hanna Maria Kallus , Künstlerin, Sängerin, Pädagogin, Hildesheim 2010
„Ein Gesamtkunstwerk, dessen Fülle uns überwältigt – ein Abenteuer an Entdeckungen, Einsichten und Ansätzen auf allen Ebenen – ein Beethoven, der uns neu erschlossen wird”
Es gibt Bücher, die sind nicht einzuordnen, weil sie das gewöhnliche „Rezept“ von Inhalt und Form sprengen.
Dazu gehört Erika Schuchardts Titel: „Diesen Kuss der ganzen Welt: Beethovens schöpferischer Sprung aus der Krise“.
Ihr spezielles Forschungsgebiet, „die Krise und ihre Bewältigung“, überträgt sie auf Ludwig van Beethoven und sein von Krisen gebeuteltes Leben.
Das Besondere: Sie bringt alle geistigen, geschichtlichen, sozialen und kulturellen WIssenschaften ins Spiel, sodass wir von einem „Gesamtkunstwerk“ sprechen können, dessen Fülle uns überwältigt und zu immer wieder neuen Ansätzen herausfordert.
Hier entwickelt sie ein Modell in 8 Spiralphasen, auf denen wir Beethovens Weg von der Verzweiflung des „Heiligenstädter Testaments“ bis hin zum Jubelchor der 9. Symphonie begleiten können – von der echolosen Einsamkeit bis hin zur weltumgreifenden Sozialisation „Seid umschlungen, Millionen, diesen Kuss der ganzen Welt ...“.
Wie mein Bruder es vor dreißig Jahren in Japan erlebte, als er dort ein Schiff baute und auf einem ganz alltäglichen Inlandflug Beethovens „9.“ erklang. Unter freudigem Beifall wurde der gesamte Text in deutscher Sprache mitgesungen. Er selbst beherrschte ihn nicht.
Zurück zur erschütternden Teilhabe an Beethovens Weg, den immer wieder neuen Ansätzen zur Bewältigung der Krise, die auch in seinem musikalischen Werk ablesbar sind – bis er sich ganz als „Beauftragter“ sieht, weg von sich selbst und gipfelnd in den Worten:
„Licht senden in die Tiefen des menschlichen Herzens – des Künstlers Beruf“ oder
„Höheres gibt es nicht, als der Gottheit sich mehr als anderen Menschen nähern und von hieraus die Strahlen der Gottheit unter das Menschengeschlecht verbreiten“
Mich selber, eher ein emotionaler, unwissenschaftlicher Typ, faszinierte die tiefenpsychologische und künstlerische Einführung in Wesen und Funktion der Spirale, hier in einer Reihe von Darstellungen aus Kunst und Wissenschaft.
Überhaupt das reiche Bildmaterial, das das Buch farbig und lebendig macht!
War und ist Beethovens Biographie doch teilweise vertraut, gewinnt sie an Dramatik und Tragik durch die Kopplung an die 8 Spiralphasen, bis sie nach den immer neuen Ansätzen in der Schillerschen „Ode an die Freude“ Befreiung und Erlösung findet.
Für mich geschah dies beim Erleben der „Missa Solemnis“, die einen mitnimmt auf eine spirituelle Ebene, die heilt und tröstet im „Angesicht der Gottheit“.
Alles in allem: Mit dem Buch wartet ein Abenteuer an Entdeckungen, Einsichten und Ansätzen von allen Ebenen her auf uns – und ein Beethoven, der uns neu erschlossen wird und Mut macht, unsere eigene Spirale als Wachstumgsgeschenk zu erkennen und zu bewältigen.
Hanna Maria Kallus
Künstlerin, Sängerin, Pädagogin
Hildesheim, 2010