Rezensionen - Warum gerade ich...?

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Bischof Prof. Dr. Eduard Lohse, Vorsitzender des Rates der Ev. Kirche in Deutschland (EKD) Hannover
Nachwort. In: Warum gerade ich?, Göttingen 1984

... auch Christen das Geheimnis des Leidens nicht wirklich entschlüsseln können ... aber ... gerade im Leiden ... die Nähe zu Gott (finden) ...

Rezension: Christen und das Geheimnis des Leidens

Wo finden behinderte Menschen in unserer technischen Gesellschaft den Ort und Raum, an dem sie ihre Gaben und Fähigkeiten entfalten und Gemeinschaft mit den Menschen pflegen können, die körperlich gesund und nicht behindert sind? Diese Frage wird mit Recht in der neueren Diskussion intensiv gestellt und erörtert. Besonders in der jungen Generation wird zunehmend darauf gedrängt, dass behinderte Menschen als Glieder der Gesellschaft uneingeschränkte Annahme verdienen und ihre eigene Rolle zu übernehmen haben. Es dürfte sich die Erkenntnis mehr und mehr durchsetzen, dass die Gesellschaft die von Leiden betroffenen Menschen braucht, damit die Dimension des Leidens, die in keinem menschlichen Leben fehlen kann, von allen Menschen deutlich erkannt und in ihren eigenen Erfahrungsbereich einbezogen wird. Leidende Menschen sollen und müssen insbesondere ihren Platz in der christlichen Gemeinde haben. Zwar werden auch Christen das Geheimnis des Leidens nicht wirklich entschlüsseln können. Aber indem sie auf das Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu Christi schauen, ist ihnen bewusst, dass gerade im Leiden die Frage nach Gott, das Klagen, aber auch die Nähe zu Gott in besonderer Weise gegeben sind.

Welche Konsequenzen aus der Erfahrung des Leidens und der Behinderung für den christlichen Glauben zu ziehen sind, wird in der wichtigen wissenschaftlichen Untersuchung erörtert, die hiermit zum zweiten Mal der Öffentlichkeit vorgelegt wird. Ich freue mich darüber, dass die Studien von Erika Schuchardt, die sich sowohl auf konkrete Erfahrungen beziehen wie auch die grundsätzlichen Probleme eingehend erörtern, verdiente Aufmerksamkeit und Anerkennung gefunden haben. Es ist mein herzlicher Wunsch, dass das Buch in seiner neuen Gestalt weite Verbreitung und Aufnahme finden möchte, damit in unserer Gesellschaft, vor allem aber in der christlichen Kirche die Frage „Warum gerade ich ...?“ so eindringlich und unüberhörbar gestellt wird, dass sie mich trifft und dazu veranlasst, über die Zusammenhänge von Behinderung und Glaube nachzudenken, behinderten Menschen Bruder und Schwester zu werden und dadurch einen neuen Bereich menschlicher Erfahrung zu erschließen, durch den behinderte und nichtbehinderte Menschen zu vertiefter Gemeinschaft zusammengeführt werden.