Kultur

Festbrief 2000

 

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Einladung
zu Erika Schuchardts
Braunschweiger Spaziergang


schuchardt logoZu Ihrem Festtag grüße ich Sie herzlich

in Anerkennung und Mitfreude für das, was Ihnen in Ihrem Leben gelungen ist und mit guten Wünschen für alles, was Sie sich vornehmen und was die Zukunft Ihnen bringt. Ich wünsche Ihnen, daß Sie diesen besonderen Tag mit Freude und Wohlbehagen genießen können, und ich wünsche mir, daß mein Festbrief ein wenig dazu beitragen mag.

Unser traditioneller Braunschweiger Spaziergang führt diesmal zu einem markanten Kirchenbau in unserer Stadt und von dort über eine Gedankenbrücke zu einem bedeutungsvollen Bauwerk in Berlin. Die Idee zu diesem Ausflug kam mir bei der Betrachtung eines schmalen Faltblatts, auf dem nur ein Satz steht:

Wir möchten, daß Sie nach oben kommen.

Darunter grüßt das vertraute Bild der Braunschweiger St. Andreas-Kirche mit ihren ungleichen Türmen und zeigt an, daß es sich hier nicht etwa um den flotten Werbeslogan einer Managerschule handelt, sondern um das Anliegen einer Kirchengemeinde.
Es geht um eine schöne Idee und um eine gekonnte Aktion zu ihrer Verwirklichung. Es geht darum, dem Andreasturm, der ein kostbares Erbe aus unserer Vergangenheit ist, auch im heutigen Leben der Stadt und ihrer Bürger einen gebührenden Platz zu geben.
Den Stichworten im Innern des Faltblatts folgend, erinnere ich daran: daß der hohe Süd-

turm der St. Andreaskirche viele Jahrhunderte lang das Wahrzeichen Braunschweigs war und weithin von der Unbesiegbarkeit der Stadt Braunschweig und dem Stolz ihrer freien Bürger kündete -, daß der lange Andreas im 16. Jahrhundert mit seinen 122 Metern sogar als der höchste Kirchturm Deutschlands galt und in Europa nach dem Straßburger Münster und dem Wiener Stepphansdom an dritter Stelle stand -, daß er mit seinem grünen Feuer, der kupfernen Barockhaube, bis zur Bombennacht im Zweiten Weltkrieg aus der Fachwerkstadt aufragte als baulicher Mittelpunkt, der auf seiner Spitze einen grandiosen Panoramablick über Stadt und Land bis hin zum Harz und nach Wolfenbüttel bot -, daß er, seit 1957 wieder haubengekrönt,
immer noch der höchste Kirchturm Braunschweigs ist, den aber jetzt nur wenige schwindelfreie Besucher auf schwankenden Holzleitern erklimmen können, um die Aussicht zu genießen.

So entstand der Plan der St. Andreas-Gemeinde, die im Krieg ausgebrannte Innen- treppe ihres Kirchturms durch eine neue und sichere Treppenanlage zu ersetzen - Wir möchten, daß Sie nach oben kommen! - und dafür die Öffentlichkeit um Mithilfe durch Beteiligung an einer großangelegten Spen-
den aktion zu bitten.
Das Vorhaben - von der Braunschweiger Zeitung unterstützt und publik gemacht - findet große Zustimmung bei "alten Braunschweigern", die von unvergeßlichen Turmbesteigungen erzählen, und bei anderen Bürgern, die an die Bereicherung unserer Stadt durch eine neue Touristenattraktion denken.
Ich möchte dieser Braunschweiger Treppen-Story ein paar persönliche Gedanken hinzufügen, denn sie berührt ein Thema, das mich seit langem begleitet und beschäftigt: Stufen, Treppen, gewundene Aufgänge werden von altersher in vielen Kulturen als Sinnbilder für den Lebensweg des Menschen gedeutet, der in Windungen und Kehren, in wech- selnden Perspektiven, vorbei an Ausblicken und Ruhepunkten, mal schwungvoll und dann wieder mühsam zum Ziel führt. Für das christliche Mittelalter waren sie Symbol der Seelenreise nach oben, zum Licht, zur ewigen Heimat.

schuchardt logoImmer wieder finde ich solche Bilder für Lebensweg und - gemeißelt, gemauert, geformt - im Alltag und in der Kunst als Darstellung in Form von Spirale und Labyrinth*, und immer wieder bin ich fasziniert: Andächtig steige ich auf der alten Wendeltreppe, die im Untergeschoß des Andreasturmes noch erhalten ist, und fühle mich eingereiht in eine unsichtbare Kette von Pilgern nach oben - staunend folge ich im Reichstag zu Berlin den weit schwingenden Spiralringen in der gläsernen Kuppel bis ganz nach oben, wo der Himmel sich zu öffnen scheint. Eine atemberaubende moderne Variation des alten Themas.
Zurück nach Braunschweig: Noch endet die Wendeltreppe im Andreasturm nach 20 Metern, noch ist die Spendenaktion für eine sichere Treppe bis zur Turmspitze nicht am Ziel, denn es fehlen noch etwa 200.000 DM, d.h. ein Viertel der benötigten Bausumme.
Die Andreasgemeinde wirbt um - wie sie formuliert - Turmherren, die sich mit einer Spende um den ehrwürdigen St. Andreasturm mit seinem hohen Ausguck verdient machen. Wir dürfen getrost annehmen, daß auch spendable Turmherrinnen willkommen sind. Sie können zum Beispiel - einzeln oder zu mehreren - eine Stufe der neuen Stahltreppe (mit DM 600,-) finanzieren und sich durch ein stilvolles Messingschild als symbolische Besitzer verewigen lassen. Auf alle Fälle freut sich die St. Andreas-Gemeinde über jeden, auch den kleinsten Beitrag zu ihrem Vorhaben.

Darauf wollte ich mit diesem Brief noch einmal aufmerksam machen: Bitte überlegen Sie, ob es Ihnen möglich ist, das Projekt St. Andreas-Turm mit einer Spende zu unterstützen.

Eine Spende bitte an: Nord/LB Braunschweig
BLZ: 250 500 00) Kto. 823054;
Verwendungszweck: "Treppenspende,
auf daß wir alle nach oben kommen".

*Siehe die betreffenden Abbildungen in Schuchardt, Erika:
"Warum gerade ich ...? Leben lernen in Krisen";
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 13. Aufl. 2000,
Literaturpreisauszeichnung

 


Sehr geehrte, liebe Frau Professor Schuchardt!

Zu Ihrer Frage, was Menschen Besonderes mit der St. Andreas Kirche verbinden, kann ich Ihnen vielleicht einen Hinweis geben: Im Laufe meiner Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Treppenbau ist mir mehrfach von Menschen, die den 2. Weltkrieg in Braunschweig erlebt haben, berichtet worden, daß sie nach Bombenangriffen immer zuerst nach dem "Andreas-Turm" geschaut haben, um festzustellen, ob er noch steht. Immer wenn sie ihn noch stehen sahen, waren sie beruhigt und ermutigt, daß die Angriffe in Braunschweig nicht so viele Menschenleben gefordert haben. Gleichzeitig wurden sie hoffnungsfroh, daß sie den furchtbaren Krieg auch in der Zukunft überleben würden.

Erschüttert waren die Menschen deswegen umso mehr, als sie den St. Andreas-Turm nach dem Angriff im Oktober 1944 ohne Turmhaube sahen.

Obwohl ich den Krieg nicht miterlebt habe, kann ich diese Gefühle der Menschen gut nachempfinden und glaube, daß ich ähnlich empfinden würde. Insofern ist der weit sichtbare Turm der St. Andreas-Kirche für mich, - und offenbar auch für andere Menschen -, immer auch ein Zeichen der christlichen Zuversicht.

...mit herzlichen Grüßen

Ihr Dr. Ing. Alex W. Gutsch