Rezensionen - Krisen-Management und Integration

wappen muenchen

Dr. Elmar Schaar, Regierungsdirektor, Staatsministerium für Kultus, München, 1984

In: Fach-Zeitschrift "Schulverwaltung", Heft 3, 1984

... Erika Schuchardts Konzeption 'Krisenverarbeitung’ als Lern-Prozess: Lehrer, Schulleiter und Schulräte sind in die Pflicht genommen, sich in ihren Verantwortungsbereichen mit der Last und der Chance 'Krisenverarbeitung’ auseinanderzusetzen…
' Darin liegt das Überschreiten der Grenzen’, so Erika Schuchardt...

Rezension: Aspekte zur Bewältigung schwieriger Entscheidungen nach der neuen Schulordnung (SVSO)

Dem Lehrer, dem Schulleiter, dem Schulrat für Volks- und Sonderschulen obliegen vielfältige fachliche Zuständigkeiten. Gleichfalls haben diese Schulverantwortlichen dafür Sorge zu tragen, daß die rechtlichen Vorgaben gesetzes- und verordnungstreu Anwendung finden. Sie sind in die Pflicht genommen, das am l.l.1983 in Kraft getretene BayEUG und die damit im Gefolge erlassenen Schulordnungen für die Volksschulen und die Schulen für Behinderte rechtmäßig zu erfüllen. Bei diesem Auftrag sind sie gefordert, das Recht menschenfürsorglich anzuwenden, und befinden sich dabei oftmals in der Situation, unausweichliche Behinderungen berücksichtigen oder Sorge "mittragen" und an der Krisenbewältigung einer Behinderung "mitwirken" zu müssen.

Es bedarf dazu einer Konzeption, wenn Lehrer, Schulleiter und Schulrat behindertenfürsorglich und gesetzesverantwortlich handeln sollen, besonders dann, wenn ein "Kernstück des neuen Rechts" (ALFONS BRANDL, Schulverwaltung 1983 Nr. 12 und 1984 Nr. l), die Überweisung an eine Sonderschule (§ 12 SVSO in Verbindung mit § 4 VSO), verwirklicht werden muß.
Lehrer, Schulleiter und Schulrat nehmen teil an der Verarbeitung einer Behinderung und vollziehen und regeln schließlich per Gesetz und Verordnung die Krisenverarbeitung beim Überweisungsverfahren. Nicht der behinderte Schüler allein ist dann die aufdrängende Aufgabenstellung, auch seine Lehrer, sein Schulleiter sind plötzlich eng berührt. Wer solche Schülerangelegenheiten regelt, wird ungewollt für eine Lebenskrise zuständig.

Ein Überweisungsverfahren zu veranlassen, weil ein Schuler am Unterricht der Volksschule wegen einer Behinderung nicht mit genügendem Erfolg teilnehmen kann. wird als Belastung erlebt, von der sich die Schulverantwortlichen durch das bereitstehende Überweisungsinstrumentarium so schnell wie möglich entlasten möchten. Sobald die Merkmale einer Lernbehinderung (§ 9 SVSO), Sprachbehinderung (§ 6 SVSO), zur Erzie- hungshilfe (§ 10 SVSO) festgestellt werden können, ist es Pflicht, den Besuch der entsprechenden Sonderschulen zu veranlassen.

Es wird dabei aus verständlichen Gründen übersehen, daß sich die Schule damit dem Lernprozeß der "Krisenverarbeitung" stellen muß und sich diesem Geschehen nicht entziehen kann. Oft zu leichtfertig "versorgen" sich dann die Zuständigen mit dem Überweisungsverfahren, aber tragen nicht allzu gerne die bestehende Sorge weiter mit und verlieren für den sonderschulbedürftigen Schüler und seine Eltern die Dimension mitmenschlichen Begleitens, die von den Betroffenen in dieser Krisensituation gerade von der Schule erwartet wird, die ja zu einer unerwünschten Schulart hinrät.

Die Nobelpreisträgerin für Literatur PEARL S. BUCK. die Mutter einer geistig behinderten Tochter, hat das so dargestellt in ihrem Buch "Geliebtes unglückliches Kind, Wien 1952": "Es ist nicht leicht zu lernen, wie man diese unausweichliche Sorge trägt. Wie lernt man mit einer Sorge zu leben, die nicht wegzuschaffen ist?"

Die Lernchance der Krise ist von allen Beteiligten zu entdecken und wahrzunehmen, die Lernlast auf sich zu nehmen, weil der Grundschullehrer, sein Schulleiter, der Behinderte, seine Eltern der Behinderungsverarbeitung nicht ausweichen können.
Wie lernen Lehrer, Schulleiter, Schulrat das Krisenproblem "Sonderschulbedürftigkeit" schülergerecht sowie gesetzesrichtig und verordnungszutreffend zu bewältigen? "Bei der Überweisung wirken Volksschute und Schule für Behinderte zusammen; die einschlägigen Vorschriften sind daher in der VSO zu finden, soweit Volksschule und Schulamt betroffen sind, in der SVSO, soweit die Zuständigkeit der Schulen für Behinderte angesprochen ist" (BRANDL, a. a. 0.).

Es ist zum Erfahrungswert geworden, daß alle Überweisungsvorgänge unabhängig von der Behinderungsart einen übereinstimmenden Lernprozeß über 3 Phasen: von ..Kopf durch das "Herz" zur "Handlung" offenbaren- Daher auch der gewählte und von ERIKA SCHUCHARDT (1981) geliehene und zutreffende Arbeitsbegriff "Krisenverarbeitung", weil er in gleicher Weise Behinderte und Nichtbehinderte betrifft, die gemeinsam auf die neue Schullaufbahn in einer Sonderschulart zugehen.

1. Die Konzeption 'Krisenverarbeitung' als Lernprozeß
Lehrer, Schulleiter und Schulräte sind in die Pflicht genommen, sich in ihren Verantwortungsbereichen mit der Last und der Chance 'Krisenverarbeitung' auseinanderzusetzen. Die nachfolgend dargestellte Spirale mit 8 Phasen soll Ansatzpunkte für eine mögliche Konzeption des Lernprozesses "Krisen Verarbeitung" darstellen und veranschaulichen: (siehe Abb. Spiralmodell)

Es ist hilfreich, notwendig und erforderlich, sich in die Situation eines Schülers und seiner betroffenen Eltern hineinzuversetzen, wenn z.B. der Grundschullehrer mitteilen muß: "Ihr Sohn ist willig, freundlich, aber er ist lernbehindert" oder "Ich möchte Ihrem Sohn helfen, aber das Stottern ist so schwer geworden, daß er sich nicht mehr am Unterricht beteiligt" und/oder "Ihr Sohn ist gut begabt, aber er kann nicht mehr am Gemeinschaftsleben der Klasse teilnehmen, er stört dauernd den Unterricht, er ist erziehungsschwierig". Bei solchen Botschaften erstarren Eltern, reagieren getroffen. Es schießt durch ihren Kopf: "Was ist eigentlich los?" Die Eltern befinden sich in der ersten Phase:
Ungewißheit. Wenn die behinderungsspezifischen Anzeichen zunehmen, die Reaktionen des Schülers, des Lehrers, der Mitwelt unübersehbar werden, die Eltern die Behinderung (also die Lern- und Leistungsmängel, also das Stottern, also die Verhaltensstörungen) ängstlich registrieren, ärztliche Diagnosen einholen, auf andere gleichaltrige Klassenkameraden vergleichend schauen. Freunde befragen, dann kann die zweite Phase:
Gewißheit nicht ausbleiben, in der sie mit dem so vertrauten "Ja aber, das kann, das darf doch gar nicht sein" abzuleugnen versuchen. Lehrer sollen es wissen und berücksichtigen, daß das "Ja, aber" dem "Nein" gleichzusetzen ist; dies aber umschreibt genau den elterlichen Zustand am Ende des Eingangsstadiums: Der Elternverstand, die Elternvernunft, der Kopf, die Ratio wissen es und sagen "Ja", aber die Seele, die Empfindungen, der Bereich der Gefühle, das EIternherz fühlen: "Nein", weil doch nicht sein kann. was nicht sein darf.

In diesen beiden ersten Phasen erleben Eltern ihre eigene Zerstörung. Sie erleben diese unvermeidliche Gewißheit, die ihnen aufgezwungen wird. Lehrer, Schulleiter und Schulräte müssen den Faktor Beharrungsverhalten in Rechnung stellen: Eltern sind die letzten, die erfassen können, daß etwas mit ihrem Kind nicht in Ordnung ist. Sie bleiben widerspenstig und ungläubig bis zuletzt, weil Probleme zuerst und zu sehr mit dem Verstand bewältigt werden. Die Eitern und die, die ihnen beistehen und raten, spüren, wie wenig das hilft, den Verstand, die Einsicht zu strapazieren. Der ganze Mensch wird erfaßt: Konflikte werden primär mit den Gefühlen ausagiert. In dieser Phase der Krise ist dem Volksschu!lehrer die schwierige Aufgabe auferlegt, nach § 4 Abs. 2 VSO die Erziehungsberechtigten um Unterstützung bei der Feststellung der Sonderschulbedürftigkeit zu bitten.

Bei Eltern und auch Lehrern bricht bereits hier, wie aus Erfahrungen bekannt ist, der Letnprozeß "Krisen Verarbeitung" ab. Sie verbrauchen jetzt all ihre Kraft, um der für sie bedrohlichen Wahrheit auszuweichen, zu verleugnen, oft nur weil sie im Lernprozeß "Krisenverarbeitung" ohnmächtig sind, alleingelassen, sich selbst ausgeliefert sehen und verstehen. Ihnen fehlt allein die menschliche Unterstützung, z. B. in diesem Durchgangstadium. Der Elternverstand erfährt die Botschaft der Behinderung, aber diese Botschaft sickert durch zur Herzenserfahrung. Das bedeutet, daß die bedrohlich angestauten Gefühle oft vulkanartig und völlig ungesteuert in alle Richtungen und gegen jeden ausbrechen. Die betroffenen Eltern bauen aus Angst vor ungesteuerten Angstausbrüchen einen Abwehrpanzer auf. es stagniert der Lernprozeß "Krisenverarbeitung". Es bricht aus den Eltern heraus: "Warum gerade ich?"

In der dritten Phase, der Aggression, richten die Eltern Aggressionen zuerst gegen sich selbst — greifen dann Lehrer und Schulleiter an, weil der eigentliche Gegenstand, die Behinderung, die Krise nicht angreifbar sind. Tragisch in dieser dritten Phase ist der unauflösliche Teufelskreis der Aggression. Die betroffenen Eltern klagen an: "Warum gerade ich?". Daraufhin klagen häufig Lehrer, Schulleiter, Schulrat zurück; •Warum verhallst du dich so zu uns? Wir sind doch nicht schuld daran?" und reagieren bald mit Gegenaggressionen und Gegenpositionen: häufig auch mit Schuldzuweisungen, dann mit Gesetz und Verordnung, also mit ihren Mitteln, die unangreifbar sind. Das verstärkt bei den betroffenen Eltern ihre Erwartungen: "Alles ist gegen mich'", was erneut das Teufelsrad antreibt.

Das Rad kann angehalten werden, wenn die Schul verantwortlichen sich der Pädagogik erinnern und verstehen lernen, daß hier jedes persönliche Verletztsein, jede Schuldzuweisung einer Mißdeutung der Situation entspringt, und wenn sie die emotionale Betroffenheit und deren Sinn entdecken (l.) und Betroffensein und Sinn-deutungen ansprechen (2.) können, d. h. wenn es Lehrer gibt, die das ganze Problem zu bereden vermögen in Echtheit, Wertschätzung und Selbstkongruenz. Eltern wissen von ihrer aggressiven Grundstimmung meist nur wenig, denn ihre kämpferischen Einstellungen liegen im seelischen Halbdunkel und leuchten nur gelegentlich im Bewußtsein auf. Als Ausdruck grenzenloser Verzweiflung wird sogar die Aggression als Todeswunsch gegen das eigene Kind oder sich selbst verständlich: "Tod wäre leichter gewesen, denn der Tod ist endgültig. Euch, die ihr solches nicht kennt, mag. dieses Entsetzen einflößen. Vernunft und Pflichtgefühl können nicht immer die Oberhand haben, wenn das Herz gebrochen ist" (PEARL S.BUCK).

Parallel dazu und darauf aufbauend, wird in der vierten Spiralphase:
Verhandlungen mit Ärzten, mit anderen Lehrern, mit einflußreichen Bekannten. mit weniger diskriminierenden Sonderschularten, mit Ambulanzen, mit Erziehungsberatungsstellen, mit dem Schicksal, mit Gott verhandelt, etwa so: "Wenn, dann muß doch ...?!" Eltern gehen von einer Stelle zur anderen. Sie eilen dahin auf ihrem Wunder-Such-Weg hinein ins geistigseelische Halbdunkel, mit der Gewißheit "dem Kind fehlt etwas", machen die Eltern qualvolle Versuche, um Hoffnung einzukaufen. Sie suchen den, der da hilft. Hier verhält sich die Schule oft allzu hilflos — meist mit dem Bestreben die Krise noch genauer regeln zu wollen, als in Art. 15 SchPG, in § 4 VSO und §14 SVSO geregelt.

'So erreichen die Eltern die fünfte Phase, die Depression, jene traurige Verstimmung, und eignen sich einen resignierenden Lebensstil an, leiten den Rückzug ein in das Hinterland der Depression: "Wozu, alles ist sinnlos. — Ich bin nichts".

Es werden zwei typische Deutungsmuster offenbar: Zum einen wird getrauert über das Schon-Aufgegebene, die Tatsache ein lernbehindertes, ein stotterndes, ein erziehungsschwieriges Kind zu haben. Zum anderen wird getrauert, über das, was vermutlich noch aufgegeben werden muß (Freunde, Status, Kollegen, Nachbarn ...): "An nichts mehr bleibt Freude".

Lehrer, Schulleiter und Schulrat erleben solche Eltern als Last und Belastung, weil diese "sich nicht helfen lassen wollen". Es müßte richtiger gesagt werden, noch nicht helfen lassen können. Es tritt Elternverschlossenheit zutage, das Schulamt wird zum Feindesland, die Eltern Wirklichkeit ist hoffnungslos. Es vernetzen und verstricken sich Verschlossenheit, Gefühlskargheit, Wertblindheil, aggressiv-depressive Grundstimmung und negative Selbsteinschätzung. • Die Überweisungsverantwortlichen wissen von dieser Krise meistens nichts oder nehmen sie zu wenig ernst, weil sie unter anderem sogleich an die Verpflichtung über die Regelung der Schullaufbahn des behinderten Kindes denken.

Viele Eltern brechen hier ihren Lernprozeß 'Krisenverarbeitung' endgültig ab, verbleiben in Aggression, Klage und anklagendem Verhalten, Verhandlung oder Depression, in Willenslähmung, was dem Zustand der sozialen Isolation gleichzusetzen ist, weil ihrem Kind eine scheinbar ungesicherte und aussichtslose Zukunft droht und schließlich das Problem des eigenen Lebens in Wert- und Sinnlosigkeit. Der Stolz der Elternschaft wird gebrochen. Der Strom ihres Lebens kommt zum Stillstand.

Es gibt Eltern, die eine Behinderung eingestehen können. Sie schaffen den Weg aus Aggression und Depression. Helfen kann ihnen, wer ihnen das Gefühl vermittelt. nicht isoliert zu sein, sondern jemand zu sein, der es wert ist, daß man sich um ihn Mühe gibt. Diese Eltern erreichen die sechste Spiralphase Annahme, das "Ja" der unentrinnbaren Wahrheit: "Ich erkenne jetzt". "Ich kann jetzt." Es wird erkannt. was mit dem zu tun ist, was noch da ist, was man noch tun kann. Es wird nicht mehr gefragt, was verloren ist. Denn es ist wichtig, was ich habe, daß ich dies erhalte und gestalte. Die Eltern fahren "Die Wende aus sich selbst" (PEARL S. BUCK), in der sie ihr behindertes Kind als gegeben annehmen und als ihnen aufgegeben erleben. Sie begreifen den "ungewußten Sinn" der Behinderung. Dieser Schritt, die Behinderung anzunehmen, muß immer wieder neu durchlebt werden, hundertmal gemacht werden oft vorwärts und wieder rückwärts. Nicht die Behinderung ist das Problem, das Leben mit der Behinderung ist die Krise, die entdeckt und verarbeitet werden muß: Das Leben mit der Behinderung ist die Ursache der Elternängste.

Volks- und Sonderschule sowie das Schulamt sind zur Mithilfe und zum Verstehen aufgerufen, damit die Eltern die Krise verarbeiten lernen; sie sind bei dieser Elternirrfahrt ohne Kompaß eine Himmelsrichtung, sie vermögen es, den Weg zu zeigen,:nämlich die Selbstfindung. Es ist eine angemessene und würdige Aufgabe der Schule, den notwendigen Mut der Zuwendung zur Wirklichkeit zu vermitteln. Gelingt es, die Eltern für wertvolle Ziele, Wertsetzungen im Zukunftsbereich zu gewinnen, darin erhält auch Vergangenes einen positiven Sinn.

Daraus entwickelt sich die siebte Phase Aktivität, in der alle Selbsthilfe, alle Fremdhilfe durch. Lehrer und Schulrat, alle Initiativen mit der neuen Schule des behinderten Kindes, also der Sonderschule wurzeln: "Unser Kind geht in seine, ihm gemäße Schule". Eltern können dann in die Sonderschule gehen. Sie treten nicht mehr auf der Stelle. Sie gehen den Weg leichter, wenn und weil sie Begleiter haben. Sie können aber jetzt erst mitvollziehen, was, im Sinne ihres Kindes, Art. 9 Abs. l BayEUG festgelegt hat, daß ihr Kind in seinem Lernen oder seiner Entwicklung so beeinträchtigt ist, daß es in der bisher besuchten Schule nicht ausreichend gefördert werden kann.

Dies nimmt den unentrinnbaren Kummer nicht, aber es hilft, mit dieser Sorge zu leben. Manche Eltern können dann Leid auf sich nehmen: "das, was zwar nicht nur Freude bringt, aber inneres Glück" (PEARL S. BUCK).

Schließlich können die Eltern die achte Spiralphase, die Solidarität 'Wir handeln' erreichen. Ihr Ich beginnt von sich selbst abzusehen und trägt im Wir zusammen mit allen Verantwortlichen für das Kind schulische Verantwortung. Das Tun ist dann mehr als Wünschen und Hoffen. Jetzt erst ist den Eltern möglich zu verstehen, daß ein Sonderschulgesetz, ein Schulpflichtgesetz sinnvoll sind, ihr Kind sogar schützen, in seine Würde bewahren, ihm wieder unterrichtlichen Erfolg verschaffen helfen. Eltern können sich schließlich in die Verantwortlichkeit und obliegende Pflicht des Lehrers ihres Kindes hineinversetzen, der prüfen und aus Sorge veranlassen mußte, daß ihr Kind in die Schule gehen kann. in der es die bestmögliche Förderung erfährt.

2. Die Kernaussage im Konzept 'Krisenverarbeitung'
— Es sollte bewußt gemacht werde, daß Zustimmung und Bereitschaft für die Laufbahn in der Schule für Behinderte weniger ein Problem des Verstandes, der Vernunft als vielmehr ein Problem des Herzens sind; nämlich jener Bereitschaftsfähigkeit zum Umdenken, zur Einstellungs- und Verhaltensänderung auf der Beziehungsebene menschlicher Interaktion. Zuerst muß die Schule sehen und verstehen, daß der Lernprozess 'Krisenverarbeitung' in rationalen Bereichen verläuft, dann emotional verarbeitet werden muß, dann erst aktional gelingen kann. Fast immer gehen die Schulverantwortlichen den umgekehrten Weg, sie handeln sogleich, rechnen sogleich mit der Vernunft und vertrauen zu sehr ihrer Überzeugungskraft als Fachmann und Amtsperson. Sie sehen jedoch nicht, daß sie den wichtigsten Teil des Menschen, seinem Erleben und Fühlen keine oder zu wenig Beachtung geschenkt haben.

— Es sollte bewusst gemacht werden: Innerhalb des Lernprozesses 'Krisenverarbeitung' hat die Aggression als Katharsis Schlüsselfunktion. Fehlt die Aggression im Lernprozeß, diese unbewusste Kampfphase der Eltern, so zeigen sich Tendenzen der Nichtannahme und der sozialen Isolation -die Eltern gehen nicht mehr in die Schule, sie können nicht zur Schule für Behinderte und zu ihrem Kind stehen.

— Es sollte bewußt gemacht werden: Bei fehlender oder unangemessener Prozeßbegleitung durch Schule und Schulamt wird der Lernprozeß 'Krisenverarbeitung' allzuleicht aufgegeben oder abgebrochen und tendiert zwangsläufig zur Ablehnung der Schule für Behinderte und des behinderten Kindes selbst, umgekehrt, durch angebotene und angemessene Prozeßbegleitung kann der Lernprozeß "Krisenverarbeitung" zum rationalen, emotionalen, sozial-aktionalen Bewältigen der Sorge angebahnt und gegangen werden.

— Es sollte bewußt gemacht werden, daß der rational isolierte Mensch sich wenig entwickeln kann; denn die Entwicklung der Persönlichkeit mit einem behinderten Kind zu leben, bedarf der emotionalen Krisenverarbeitung, tun aus der Armut und Leere der Lebensmöglichkeiten, der Enge, der Resignation, des Pessimismus herauszufinden. Eltern behinderter Kinder können neue hoffnungsvolle Lebensentwürfe erfühlen, wagen und lernen: Das Einfühlen ermöglicht erst das Weiterkommen.

— Es sollte bewußt gemacht werden, daß Eltern wieder Achtung vor sich selbst, Achtung auch vor ihrem lernbehinderten Kind als Eigenwert aufbauen können. Die Sonderschulunlust schmilzt ein, wenn Eltern durch andere erleben, daß sie sich auf eine wertvolle Sache für ihr Kind zubewegen.

Schule und Schulamt sind in diesem Prozeß auch ein Symbol des helfenden Staates: Sie müssen die Öffnung zur Menschlichkeil mitbetreiben, ohne die es keine gesunde Schulbereitschaft gibt. Es bleibt stets Aufgabe, daß gerade die Schule wieder erkennt, wie wechselseitig Behinderte und Nichtbehinderte aufeinander angewiesen sind.

Wir können Krisen, Krankheiten, Behinderungen nicht abschaffen. Hier haben wir Grenzen; aber wir können den Betroffenen und uns z. B. im Überweisungsverfahren Bedingungen verschaffen, unter denen Leiden leichter werden und sinnvoll gelebt werden können.

Wir können also etwas dazu tun, sogar vom Amts wegen: "Darin liegt das Überschreiten der Grenzen", so Erika Schuchardt.
Und das sind Sinn und Geist der Art. 9 und 23 des BayEUG und der Art. 4 und 15 des Schulpflichtgesetzes, sowie des § 4 VSO und des § 12 SVSO.